Der Fall

Vorweg wird festgestellt, dass die Namen im nachfolgenden Bericht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen sind keinesfalls beabsichtigt.

 

Am 6. September 2010 wurde der damals 71-jährige Pensionist Ernst Harringer aus Schleedorf im Salzburger Flachgau von 4 Polizisten festgenommen. Was war passiert? Harringer hatte am späten Nachmittag an einem Laternenmast an der Zufahrtsstraße zu seinem Haus ein Plakat angebracht, um die Nachbarn bezüglich eines lange schwelenden Streites mit einem Widersacher und hinsichtlich des Verhaltens der Gemeinde in diesem Fall zu informieren. Unmittelbar angrenzend an die Zufahrtsstraße liegt – umgeben von einer hohen Hecke – ein Wohnhaus, in welchem damals der 41-jährige Polizist Gottfried Stessl wohnhaft war. Stessl ist ein Schwiegersohn von Harringers Widersacher, einer von 2 Polizisten in der Familie. Über die Geschehnisse an diesem Spätnachmittag gibt es 2 Darstellungen, dem Leser obliegt es, sich aus den nachfolgenden Beweismitteln ein Bild darüber zu machen, welche der Wirklichkeit wohl eher nahekommen könnte. Harringer, der plakatlebende Pensionist, schilderte Folgendes: Er habe soeben – Schere und Tixo in der Hand – sein Plakat montiert, als er von Stessl über die Hecke hinweg angepöbelt wurde, er solle das Plakat unverzüglich wieder entfernen, weil er sonst „etwas erleben“ würde. Der Polizist Stessl wiederum schildert, er habe Harringer lediglich aufgefordert, das Plakat zu entfernen, weil er sonst auf die Straße kommen und dies selbst tun werde. Harringer will Stessl dann nicht weiter beachtet und seine Arbeit fortgesetzt haben. Plötzlich, wie aus dem Nichts, sei dann Stessl neben ihm gestanden, er habe ihn weder gesehen noch kommen gehört. Harringer schildert, er sei erschrocken aufgesprungen und habe die Hand mit der Schere in Richtung des jüngeren und kräftigen Kontrahenten gestreckt, weil er sich bedroht fühlte. Auch habe er immer wieder lautstark gefordert, Stessl solle nicht näherkommen, weil er (Harringer) sich bedroht fühle. Wer diese Version glaubt, muss darin eine klare Notwehrhaltung erkennen. Stessl habe dann über die Hecke hinweg seiner Frau zugerufen, dass diese Fotos anfertigen möge, was auch geschah. Diese Fotos werden später sehr deutlich zeigen, wie der Zustand der Kontrahenten just zu jenem Zeitpunkt war und so Schlussfolgerungen zulassen, wer über diese Minuten die Wahrheit sagt. Nun aber zur Darstellung von Stessl: Unumwunden gibt Stessl zu, durch den Garten auf die Straße zu Harringer gegangen zu sein. Dass der Weg ums Haus herum bzw. durch das Haus hindurch zum Gartentor und dann weiter ca. 20 Meter der Straße entlang führt und Stessl für diesen Weg sicherlich 40 bis 50 Sekunden Zeit benötigte, geht aus einem Luftbild hervor. Gerade als Stessl bei Harringer eintrifft, sei dieser völlig unvermittelt auf den überraschten Stessl zugesprungen, habe ihm einen massiven Hodentritt verpasst und ihm die Schere an die Brust gesetzt. Der Hodentritt sei von einer derartigen Wucht gewesen, dass Harringers Schlapfen meterweit durch die Luft geflogen seien. Stessl meint, er sei völlig perplex gewesen und habe nur mehr weggewollt. Dennoch blieb er stehen, um seiner Frau die Möglichkeit zu geben, noch ein paar Fotos zu machen. Fotos, die – wie wir sehen werden – wertvolle Hinweise auf die Situation liefern. Stessl schilderte Harringer, dieser sei völlig von Sinnen gewesen und habe gedroht, mit der Schere zuzustechen. Einig ist man sich wieder, was das Ende dieser unerfreulichen Begegnung angeht: Demnach sind anschließend beide Personen nach Hause zurückgekehrt.
Einige Stunden später läuteten 4 Polizisten bei Harringer an der Haustür und befahlen ihm, mitzukommen, er sei hiermit festgenommen.

Am nächsten Tag fand bei Harringer eine erste Haftprüfungsverhandlung statt. Die zuständige Richterin meinte: „A bisserl müss ma Sie schon dabehalten, Herr Harringer“ – gemeint war dann eine 3-wöchige Untersuchungshaft.

Just zu dieser Zeit trat Martin G. auf den Plan. G. hatte bereits vor langer Zeit eigene bittere Erfahrungen mit unserer Justiz machen müssen, er ist es auch, der für diese Homepage verantwortlich zeichnet. Nachdem G. im Jahr 2003 ein justizkritisches Buch herausgegeben hatte, lernte er Harringer kennen. Man war in losem Kontakt, besprach sich, wenn es Unklarheiten mit Behörden gab. G. war einer der Ersten, die Harringer in  der U-Haft besuchen konnten. Dort erfuhr er Harringers Version der Geschichte, die er wohl glauben konnte oder auch nicht. Zur ersten Hauptverhandlung gegen Harringer nahm sich G. selbstverständlich frei. Er, der der Justiz ohnehin bereits schwer misstraute, wollte seinen Bekannten vor Gericht nicht im Stich lassen. Auch einige weitere „Geschädigte“ waren zugegen, die ihrerseits bereits Erfahrungen mit dieser Behörde gemacht hatten. Die Voraussetzungen für diese Gerichtsverhandlung waren klar: Ein Journal-Staatsanwalt hatte Wochen zuvor die Festnahme von Harringer angeordnet, weil der Polizist seinen Kollegen eine Situation von Körperverletzung und Drohung geschildert hatte. Man hatte den Tatverdächtigen 3 Wochen lang in Haft behalten. Falls das Gericht nun erkennen sollte, dass Stessl bei seinen Kollegen falsche Angaben gemacht hätte und es sich tatsächlich nur um eine Notwehraktion seitens Harringer gehandelt hätte, stünde man vermutlich gar nicht gut da. Das „unabhängige Gericht“ sollte also nach Möglichkeit zum Schluss kommen, dass in diesem Akt bisher bei den Behörden keine Fehler passiert seien, Harringer ein Straftäter sei und seine Inhaftierung zu Recht erfolgte. Ob es unter diesen Vorzeichen wohl möglich sein würde, eine objektive Verhandlung zu führen?

Wie vorherzusehen, zerriss der Richter Harringer in der Luft. Zaghafte Versuche des Verteidigers, die Geschehnisse aus der Sicht von Harringer darstellen, scheiterten kläglich. Auch das Wort „Notwehr“ wurde vom Gericht überhört und floss auch nicht ins Protokoll ein. Es schien in dieser Verhandlung nur eine Version der Geschehnisse zulässig. Mag sein, dass G. aufgrund seiner Voreingenommenheit gegen die Behörde ein verzerrtes Bild von der Verhandlung bekam. Allerdings stehen folgende Tatsachen fest:

Nur Stessl alleine berichtete, dass er einen massiven Hodentritt erhalten habe, zudem sei ihm die Schere an die Brust gesetzt worden. Die Schwiegermutter von Stessl gab an, zwar ca. 5 Meter von den beiden Kontrahenten entfernt gewesen zu sein, jedoch vom Hodentritt und dem Ansetzen der Schere an die Brust nichts mitbekommen zu haben. Sehr wohl hat sie jedoch gehört, wie Harringer ihren Schwiegersohn immer wieder aufforderte, von ihm Abstand zu halten. Auch die Frau von Stessl erklärte, keinen Hodentritt wahrgenommen zu haben, auch habe sie nicht gesehen, dass die Schere im Verlauf des Gespräches jemals die Brust Ihres Mannes berührt habe. Jedoch bestätigte auch sie, dass Harringer ihren Mann wiederholt aufgefordert habe, fernzubleiben. Blöd! Kann man denn jemanden schon festnehmen lassen, wenn er mit der Schere in jemandes Richtung zeigt? Überhaupt dann, wenn die Annäherung durch das „Opfer“ erfolgte, während der „Täter“ sich emsig dem Anbringen eines Plakates widmete? Das wäre wohl sehr verwegen.

Harringers Verteidiger wollte wissen, ob denn die Bilder nach dem Hodentritt entstanden seien. Dies wurde von Stessl bestätigt. Als der Verteidiger nachhakte, ob Stessl denn nach dem Tritt noch aufrecht stehen konnte, gab dieser an, dass man in seinem Beruf als Polizist den Schmerz eben kontrollieren könne. Wie gut ihm das gelang, werden wir etwas später noch auf Bildern sehen. Die freche Frage von Harringers Verteidiger, wo man denn als Polizist eine derartige Kontrolle über Schmerzen erlernen könne, verbat sich der Richter. Die Tatsache, dass Stessl trotz sofortiger starker Schmerzen erst 2 Tage später ins Krankenhaus fuhr, um sich „seine Verletztung bestätigen“ und sich ein paar Krankenstandstage genehmigen zu lassen, beeindruckte das Gericht auch nicht besonders. Bezeichnend jedoch, dass die “Verletzungsanzeige” nicht mehr enthielt, als eine Bestätigung, dass der Polizist “nach eigenen Angaben” verletzt worden war.

Das unabhängige Gericht wandte also das Prinzip der „freien Beweiswürdigung“ an. Es schlussfolgerte, dass Harringer Stessl sehr wohl einen Hodentritt verpasst habe. Dabei habe Stessl jedoch keinerlei Laut von sich gegeben, denn die danebenstehende Schwiegermutter konnte diesen Vorgang weder sehen noch hören. Auch die Schlapfen von Harringer dürften ziemlich lautlos durch die Luft geglitten sein, um sich danach sanft dem Boden anzuschmiegen – nur so konnte der Schwiegermutter das alles entgehen. Harringers allseits belegte Aufforderung an Stessl, nicht näherzutreten, wurde vom Gericht etwa so bewertet, als wäre Harringer in Stessls Garten eingedrungen und habe diesen auf seiner Terrasse ein Messer an die Kehle gesetzt. Gerichte weisen in ihrer Urteilsbegründung gerne auf die „Lebensnähe“ von Annahmen hin, diese Frivolität sparte sich das Gericht in diesem Fall. Auf jeden Fall gelang es dem Gericht, Harringer die ihm zur Last gelegten Taten zweifelsfrei nachzuweisen, am Ende dieser Verhandlung wurde ein Schuldspruch gefällt. Natürlich meldete Harringer Berufung an.

Die Art der Verhandlungsführung war G. höchst seltsam erschienen, daher schrieb er seine Eindrücke wenig später in einem Gedächtnisprotokoll nieder. Wie sich später herausstellen sollte, ist dieses Gedächtnisprotokoll ein wichtiges Dokument, was den Gesundheitszustand des Richters zum Zeitpunkt der Verhandlung angeht.

Natürlich war es weder dem Verurteilten noch irgendjemandem aus dem Publikum möglich gewesen, die geheimnisvollen Fotos vom Tatort in die Hand zu bekommen. Die war neben dem Richter nur dem Staatsanwalt und dem gewerkschaftlichen Anwalt des Zeugen Stessl vergönnt. G. sah jedoch in diesen Fotos einen möglichen Schlüssel, um zu einem besseren Verständnis dieses Urteils zu kommen. Ausgerüstet mit einer Spiegelreflexkamera und im Schlepptau von Harringer rückte er im Spätherbst 2010 im Landesgericht Salzburg ein, um die Bilder im Zuge einer Akteneinsicht abzufotografieren. Aber Pustekuchen: Im Eingangsbereich des Gerichts wurde G. sein Werkzeug unverzüglich abgenommen. Warum das? Sahen die Sicherheitsleute darin eine Bedrohung für die Justiz? Hielt man es etwa gar für möglich, dass G. seine wertvolle, schwere Kamera einem Richter auf den Schädel hauen würde? Der Sicherheitschef des Gerichts brachte es auf den Punkt: Der Steuerzahler darf den bescheidenen Prunk in den Gebäuden der Republik zwar jederzeit gerne finanzieren, alleine – fotografieren darf er ihn nicht. Wie dem auch sei, Harringer und G. verließen das Gerichtsgebäude mit einwandfreien Schwarzweißkopien der Bilder vom 6. September 2011. Und das war eine kleine Sensation, denn auf den geheimnisvollen Bildern war nicht im Geringsten zu erkennen, dass Stessl wenige Sekunden zuvor jenen verhängnisvollen Hodentritt erhalten hatte, den das Gericht in seinem Urteil beschrieb.

Dann folgte das Warten auf die schriftlichen Unterlagen zu diesem Verfahren. Würde es der Richter wirklich wagen, das Protokoll in aller seiner Widersprüchlichkeit schriftlich an den Verurteilten zu senden? Er wagte es. Das Protokoll traf – mit weitestgehend wirklichkeitsgetreu wiedergegebenen Aussagen – Ende Jänner 2011 bei Harringer ein.

Nun hatte G. also ein Protokoll in Händen und diese Bilder. Damit konnte man – seiner Meinung zufolge – einwandfrei beweisen, dass es bei der Gerichtsverhandlung nicht mit rechten Dingen zugegangen sein konnte. Was also tun mit diesen Unterlagen? Nach Meinung von G. hatte der Richter wohl Amtsmissbrauch begangen, als er die Fakten ignorierte und zu seiner fragwürdigen Entscheidung gelangte. Aber was passiert wohl, wenn man einen Richter wegen Amtsmissbrauchs anzeigt? Wahrscheinlich genau dasselbe, wie wenn man beispielsweise eine amtierende Landeshauptfrau der Korruption überführt – nämlich gar nichts.
Auch war ja noch eine Berufungsverhandlung ausständig. G. versetze sich sofort in die Rolle des Anwalts von Harringer, was würde er der Berufungsinstanz alles aufzeigen. Rasch erarbeitete er mit Harringer einen Rohentwurf, der aus juristischer Sicht absolut laienhaft sein mochte, jedoch brachte er in ganz klaren Worten all das zur Sprache, was in dieser Geschichte stank. Dieses einfache Machwerk sollte Harringer an seinen Anwalt übermitteln. Harringer hielt auf seinen Anwalt ja große Stücke, G. aber wollte sichergehen, dass man die Berufungsinstanz konsequent mit den Tatsachen konfrontieren würde. Dieser Vorschlag ging jedoch „in die Hose“. Harringer´s Anwalt gab sich entrüstet, von seinem Klienten einen derart perfiden Vorschlag zu erhalten, schließlich wäre es ja genau seine Aufgabe, Derartiges herauszuarbeiten. Letztlich flossen die Fakten aber (in neue Worte gekleidet, entschärft und um etliche Formalfehler des Erstgerichts ergänzt) in die Berufungsschrift ein.
Noch etwas stieß G. sauer auf: Seiner Meinung zufolge hatte ja Stessl vor Gericht als Zeuge gelogen. Wenn G. nun schon den Richter und den Staatsanwalt aufgrund der drohenden sofortigen Einstellung nicht wegen Amtsmissbrauchs anzeigen konnte, so konnte man doch zumindest versuchen, die (in G´s Augen erwiesene) Falschaussage des Polizisten als Grundlage für eine eventuelle spätere Wiederaufnahme anzuzeigen. Daher formulierte er fein säuberlich eine ausgefeilte und ordentlich durch Sachbeweise untermauerte Strafanzeige gegen Stessl. Und dann hatte er ein Problem: Seiner besseren Hälfte hatte G. versprochen, in der Angelegenheit gegen Stessl selbst nicht tätig zu werden. Es war ihr unheimlich bei dem Gedanken, einen Polizisten anzuzeigen.

Frau G. war nämlich der Meinung, mit der Polizei dürfe man sich keinesfalls anlegen. G. selbst hatte bislang vorwiegend gute Erfahrungen mit dieser Behörde, außerdem legt man sich ja nicht automatisch mit der Polizei an, wenn man den Fehler eines einzigen Kollegen anzeigt. Schwarze Schafe gibt es in jeder Organisation, ebenso, wie es auch innerhalb der Justiz anständige, pflichtbewusste und unbestechliche Mitarbeiter gibt. Dennoch war G. seiner Frau im Wort und konnte also diese Strafanzeige nicht einbringen. Natürlich wollte auch Harringer diese Anzeige keinesfalls einbringen, da er befürchtete, bei der Berufungsverhandlung dadurch schlechtere Karten zu haben.
Da traf es sich gut, dass just Anfang Mai 2011 eine neue Justizministerin ihr Amt antrat, die Frau Karl. G. konnte es der Dame leider nicht ersparen, ihr informationshalber die formlose Anzeige gegen Stessl samt aller Unterlagen zu übermitteln, damit die gute Frau einen Eindruck bekomme, was in ihrem neuen Ressort so abgeht. Verbunden war diese Information mit der dringenden Bitte, eine eventuelle Prüfung dieser Angelegenheit keinesfalls in Salzburg vornehmen zu lassen. Und siehe da: Bereits 2 Wochen später erreichte G. eine Mitteilung des Magister Eggert aus dem Ministerium, man habe von ministerieller Seite Strafanzeige bei der Oberstaatsanwaltschaft Linz erstattet. Na, geht doch …
Bereits einen Tag später reichte die OStA Linz die Anzeige „zuständigkeitshalber“ nach Salzburg weiter. Womit durfte G. nun rechnen? Wer auch immer bei der StA Salzburg den Akt auf den Tisch bekommen würde, konnte gleich mit Mag. Hattinger auf einen Kaffe gehen und diesen fragen, ob man in der Angelegenheit denn etwas machen wolle. Hattinger würde natürlich antworten, dass er persönlich doch alles nach bestem Gewissen geprüft habe und der Sachverhalt völlig klar gewesen sei. Daraufhin könnte man die Anzeige guten Gewissens zurücklegen.

Am 9. Mai 2011 hatte inzwischen die Berufungsverhandlung stattgefunden. Der Staatsanwalt hatte eine höhere Strafe für Harringer gefordert, der Verteidiger einen Freispruch. Harringer selbst hatte nochmals alle Widersprüche aufgezeigt und beteuert, Stessl niemals bedroht oder verletzt zu haben. Die 3 Richter des Senats zogen sich für 17 Minuten zurück. Alleine das konzentrierte und sinnerfassende Lesen der Berufungsschrift würde jedoch eine gute halbe Stunde in Anspruch nehmen, da könnte man die aufgezeigten Widersprüche noch keinesfalls diskutieren. Was also der 3er-Senat in diesen 17 Minuten gemacht hat, wird sich wohl nie nachvollziehen lassen, schließlich entscheiden solche Gremien „in geheimer Sitzung“. Das Traurige daran ist, dass es hier um Schuld oder Unschuld eines Menschen geht und dass Menschen viele Arbeitsstunden in die Vorbereitung einer solchen Verhandlung investiert haben. Die Entscheidungsträger machen sich aber offenbar einen Spaß daraus, ohne die Fakten zu erörtern oder ohne überhaupt darüber nachzudenken ihre Entscheidung zu treffen. Hier wird der Steuerzahler komplett verarscht und von hochbezahlten Beamten lustig das Geld des Verdächtigen verprasst. Diese „geheimen Sitzungen“ haben System und müssen von der Gesellschaft auf´s Heftigste bekämpft werden.

 

Seltsames geschah auch, kurz nachdem Harringer von der zweiten Instanz rechtskräftig schuldig gesprochen worden war: Von der Bezirkshauptmannschaft flatterte ihm eine Vorladung ins Haus. Demnach müsse man nun – nach rechtskräftigem Schuldspruch – von amtlicher Seite prüfen, ob Harringer denn seinen Führerschein noch zu Recht besitze. Da schau her! Die Bezirkshauptmannschaft scheint also verpflichtet zu sein, jeden, der von der Justiz als Straftäter erkannt wurde, hinsichtlich seiner Fahrtüchtigkeit zu überprüfen. Dies trifft sicherlich auch für jenen Pongauer Kriminalbeamten zu, der im September 2012 für schuldig befunden wurde, gleich 3 Ex-Freundinnen gefährlich bedroht und teilweise verletzt zu haben? Und auch für Mag. Hattinger, der sich zu einem späteren Zeitpunkt selbst vor Gericht verantworten musste. Rein zufällig ging sich übrigens in beiden Fällen eine Verurteilung zu genau 5 Monaten bedingter Haft aus – somit sichert die Justiz den Herren zumindest weiterhin ein sorgenfreies Auskommen im Beamtenstand, wenn schon der Führerschein aufgrund der Verurteilungen wackelt.

Es wird in diesem Zusammenhang noch geklärt werden müssen, wie die Informationskette an die BH in einem solchen Falle funktioniert: Meldet die Justiz die rechtskräftige Verurteilung automatisch an die Bezirkshauptmannschaft oder muss die Bezirkshauptmannschaft diesbezüglich eine Anfrage an die Justiz stellen. Oder gibt es in speziellen Fällen einen „kleinen Dienstweg“? Dass manch garstige Bürger dies als Amtsmissbrauch betrachten könnten, wird bei den Behörden ja niemanden stören – der Staatsanwalt könnte diesbezügliche Anzeigen ja jederzeit problemlos zurücklegen.

Wie auch immer, Harringers Anwalt ließ die Sache vom Unabhängigen Verwaltungssenat klären, der Führerschein war gerettet. Die Anwaltskosten übernimmt in einem solchen Fall jedoch nicht – wie man annehmen möchte – jener Beamte, der dieses Verfahren wider besseren Wissens in die Wege geleitet hat, sondern der Betroffene, in diesem Falle Harringer.

Doch zurück zur Strafanzeige gegen Stessl. Diese landete auf dem Schreibtisch der Staatsanwältin Dirisamer, die natürlich nicht lange fackelte und (wie von G. vorhergesehen) die Strafanzeige gegen Stessl am 1.6.2011 zurücklegte. Die Information über die Zurücklegung der Strafanzeige schickte sie an den völlig verdutzten Harringer. Darin enthalten eine Belehrung, dass Harringer das Recht habe, eine Begründung für die Verfahrenseinstellung zu verlangen. Obwohl Harringer selbst ja gar nichts dazu beigetragen hatte, interessierte ihn die Sache jetzt doch sehr und er beantragte diese Begründung. Und diese hatte es wahrlich in sich:

Dirisamer erlärte, natürlich sofort erkannt zu haben, wer hinter der Anzeige stecke. Es sei dies Harringer selbst gewesen, der in hinterlistiger Manier die Anzeige in der dritten Person formuliert habe, um eine dritte Person als Anzeiger vorzutäuschen. Sie – Dirisamer – jedoch hätte dieses perfide Spiel durchschaut und werde daher diese Strafanzeige jetzt zurücklegen. Zu allem Überfluss verwies sie noch auf den Berufungssenat, welcher in seiner 17-minütigen Expresssitzung ja auch keine Ungereimtheiten entdecken habe können.

Harringer, der ob dieser für ihn unvorhersehbaren Einstellungsbegründung völlig aus dem Häuschen war, rief G. an und berichtete darüber. Noch am selben Tag organisierte sich G. die Information über die Verfahrenseinstellung und die dazugehörige „Begründung“, um sich tags darauf mit der Staatsanwältin in Verbindung zu setzen und diese über ihren Faupax zu informieren – möglicherweise würde diese ja in Anerkennung ihres Fehlers die Einstellung nochmals überdenken. Aber da hatte sich G. tüchtig geschnitten – denn bei Gericht gibt es nämlich keine Fehler. Daher hielt Dirisamer in einer kleinen Aktennotiz das Gespräch mit G. fest, erklärte aber gleichzeitig, dass Harringer ja die Einstellungsbegründung angefordert hatte und daher von ihr nach wie vor als Anzeiger gesehen werde.

Was kann ein Bürger im Falle einer derart verfehlten Begründung noch machen? Es besteht immerhin die Möglichkeit, einen „Fortsetzungsantrag“ zu stellen, was jedoch innerhalb von 2 Wochen geschehen muss (die Justiz möchte dem Bürger nicht jene Bearbeitungszeiträume zugestehen, welche sie selbst für die Erledigung mancher Akten in Anspruch nimmt). Allerdings möchte die Behörde sich aus der Bearbeitung eines Fortsetzungsantrages auch ein kleines Taschengeld erwirtschaften, daher sind bei einer Ablehnung dieses Antrages 90,- Euro zu berappen. Blöd wäre man also, einem solchen Antrag stattzugeben. Seit 2009 hat man noch einen weiteren Pferdefuß eingebaut: Seit damals darf nur mehr das Opfer selbst einen solchen Antrag einbringen. Das hat folgenden Grund: Wie in der Begründung für die Verfahrenseinstellung erkennbar, kann man bei einem Vorbringen des Opfers ganz leicht erklären, der Betroffene sei eben mit einer für ihn nachteiligen Justizentscheidung nicht einverstanden und kann das Ansinnen damit zurückschmettern. Wenn aber nun (wie bis 2009 noch möglich) ein Außenstehender, wie z.B. ein unabhängiger Prozessbeobachter Verfahrensfehler aufzeigt, kann man diesem nur schwer ein unlauteres Interesse unterstellen und muss sich in sachlicher Weise den erhobenen Vorwürfen stellen – dies muss natürlich unter allen Umständen vermieden werden.

Als G. Wochen später einen Fortsetzungsantrag einbrachte, wusste er noch nicht, dass dieser Antrag „Mangels Opferstellung“ ohnehin zum Scheitern verurteilt war. Allerdings war ihm bewusst, dass er mit dem Termin mehr als säumig war und wollte den Fortsetzungsantrag in Form eines Wiederaufnahmeantrages vorbringen. Wie eingangs berichtet, waren bei der Verhandlung am 20.10.2010 weitere Personen anwesend, welche die Arbeit unserer Justiz mit kritischen Augen betrachten. Einer dieser „Geschädigten“ war nun bereit, die Falschaussage von Stessl ebenfalls zu bezeugen. Mit G. (der für das Gericht ja auch ein neuer Zeuge ist) gab es also zwei Zeugen für die Falschaussage des Polizisten. Um es der StA nun nicht gar zu leicht machen, wollte G. für seine 90,- Euro (die er im Endeffekt zweifelsohne zahlen würde müssen) wenigstens klare Antworten auf klare Fragen haben. So schrieb er:

 

„Nachdem die Zurücklegung dieses Antrages auf Fortsetzung des Strafverfahrens gegen Herrn Stessl bereits absehbar ist, ersuche ich aus Gründen der Einfachheit und der Zeitersparnis, mir die Gründe für die Zurücklegung gleich mitzuteilen. Der simple Verweis auf das Ergebnis des unglücklichen Strafverfahrens gegen Herrn Harringer kann von mir jedoch keinesfalls als Grund für die Einstellung akzeptiert werden, dafür werde ich auch keine 90 Euro bezahlen. Vielmehr gilt es, die von mir vorgelegten Dokumente zu prüfen und folgende Fragen zu beantworten:

 

1. Ist es glaubhaft, dass Herr Stessl – wie er auf den Bildern zu sehen ist – wenige Sekunden zuvor einen massiven Hodentritt erhalten hat, der immerhin 5 Tage Krankenstand und ca. 10 Tage Schmerzen verursachte? Einen Hodentritt, der nach 2 Tagen angeblich noch von den Ärzten festgestellt werden konnte.

2. Ist es weiters glaubhaft, dass Herr Stessl bei diesem Hodentritt keinerlei Laut von sich gab und auch der Hodentritt selbst völlig lautlos erfolgte, so dass die 5-10 Meter entfernt stehende Schwiegermutter davon nichts wahrnehmen konnte?

3. Ist es glaubhaft, dass Stessl – wie er zu Protokoll gab – völlig perplex war und nur weg wollte, aber nichts desto trotz noch minutenlang wie auf den Lichtbildern zu sehen stehen blieb?

Drei Fragen, die nur mit ja oder nein beantwortet werden können. Sollte die StA alle 3 Fragen mit ja beantworten und die Fortführung ablehnen, so ist mir das allemal 90 Euro wert!“

 

Diesen dilettantischen Vorstoß hätte sich G. jedoch ersparen können, außer Spesen nichts gewesen …. natürlich dachte die StA nicht im Traum daran, die 3 Fragen mit ja oder nein zu beantworten, sie hätte sich ja selbst für dumm verkauft. Dank mangelnder Opferstellung von G. konnte man den Fortsetzungsantrag auch so abschmettern. Der erste Handlungsstrang ist hier vorläufig zu Ende, jedoch gibt es viele weitere interessante Dinge zu berichten.

Nachdem G. im Mai 2011 darüber informiert worden war, dass die Entscheidung über ein Strafverfahren gegen Stessl just von der StA Salzburg getroffen werden würden, war ihm bereits klar, dass es in tausend Jahren kein Strafverfahren gegen den Polizisten geben würde. Aber er hatte mit dem Verhandlungsprotokoll und den Bildern ja derart brisantes Material in Händen, er konnte doch dieses Unrecht jetzt nicht einfach so stehen lassen. In zahlreichen Gesprächen erkannte G. schließlich, dass dieser Fall quasi ein Musterbeispiel für das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) wäre, er wandte sich also dorthin. Dort würden, so nahm G. an, alle Vorwürfe im Detail und komplett unabhängig von den wirren Salzburger Entscheidungen nochmals geprüft. Mitte Juni 2011 kontaktierte man G., er möge doch alle Unterlagen zu diesem Fall an die junge Beamtin senden, der man diese Geschichte anvertraut hatte. In den folgenden Wochen kam es zu zwei Telefonaten. Frau Sp. war zu Beginn sehr engagiert, sie hatte in den übermittelten Unterlagen haarstäubende Widersprüche gefunden und weitere Ermittlungen in die Wege geleitet. Dabei hatte sie jedoch (wie man erst viel später erfuhr) gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstoßen: Nach ihrer Interpretation (welche auch jener von G. entspricht) hatten der Richter und der Staatsanwalt Amtsmissbrauch begangen, indem sie das Gerichtsverfahren in der bekannten Weise durchführten. Konsequenterweise wollte die Beamtin daher auch die beiden Justizmitarbeiter strafrechtlich verfolgen. Damit hatte sie aber bereits verloren – man zeigt keinen Richter an, weil dieser in einer Verhandlung sein Amt missbraucht. Richter, die nur ihre Arbeit schlecht machen, sind sakrosankt. Wenn man einen Richter nicht wegen eines anderen Strafdeliktes „erwischen“ kann, wird ihm niemals etwas passieren, die Behörde schützt ihre Urteile und damit ihre Richter, egal, was diese in einer Verhandlung auch anstellen (dies ist natürlich nur eine persönliche Meinung).

Auf eine telefonische Nachfrage berichtete Frau Sp., dass die Entscheidung nun von der Staatsanwaltschaft geprüft werde, von welcher Staatsanwaltschaft genau, das wisse sie nicht. G. standen die Haare zu Berge, denn er glaubte zu wissen, welche Staatsanwaltschaft das zu Prüfung bekommen würde und gab sofort seine Bedenken bekannt. Doch Sp. beruhigte: Diese Angelegenheit abzudrehen, das könne man vielleicht mit einem einfachen Bürger machen, aber wenn die StA dieses Verfahren wirklich beenden wolle, dann müsse man dem BAK schon eine sehr fundierte Begründung dafür vorlegen. Beim zweiten Telefonat einige Wochen später hörte sich die Dame schon wesentlich demotivierter an: Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren eingestellt und auf Basis dieser Entscheidung könne man von Seiten des BAK auch keine weiteren Maßnahmen zur Verfolgung mehr setzen, das habe ihr ihr Vorgesetzter so mitgeteilt. Nix war´s also mit der unabhängigen Prüfung der Vorwürfe – die „wahrlich fundierte und von Fakten bestens untermauerte Entscheidung“ der Staatsanwältin Dirisamer hatte also den Weg zu einer Prüfung der Fakten abermals  blockiert.

G. hatte aber noch eine weitere Tür geöffnet: Der Generalprokurator ist Österreichs höchster Staatsanwalt. Seine Aufgaben präsentiert er stolz im Internet:

„Die rechtsstaatlich wichtigste Kompetenz, die dem Generalprokurator zukommt, ist allerdings die Befugnis, gegen Urteile der Strafgerichte, die auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichtes, der – auf welche Weise auch immer (zB durch Hinweise von behördlicher oder privater Seite, aber auch auf Grund eigener Wahrnehmung) – zu seiner Kenntnis gelangt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu erheben. Der Hauptzweck dieses unbefristet – unbeschadet des Eintritts der Rechtskraft – allein dem Generalprokurator zustehenden Rechtsbehelfs ist die Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsrichtigkeit (mit dem Ziel, künftige Rechtsverletzungen gleicher Art hintanzuhalten). Daneben dient er aber auch der Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit (ausschließlich) zu Gunsten eines ungerecht Verurteilten, eines auf andere Art vom Strafgericht gesetzwidrig benachteiligten Beschuldigten oder eines Verfahrensbeteiligten in vergleichbarer Lage (ein gesetzwidriger Freispruch oder eine auf andere Weise zum Vorteil einer solchen Person unterlaufene Gesetzwidrigkeit kann auf Grund dieser Beschwerde zwar festgestellt, aber nicht beseitigt werden)“

Genau so einen Mann suchte G., er würde wohl aufräumen in diesem Saustall (persönliche Meinung von G.) So sammelte er wieder alle seine Dokumente und sandte sie Anfang Juni 2011 dem Herrn Generalprokurator. Etliche Wochen später erreichte G. eine Nachricht dieses honorigen Herren: Er meint, er hätte in dieser Angelegenheit keinerlei Rechtsverletzung erkennen können! Wie etwa? War der Mann am Ende nicht sehr intelligent? Oder hatte auch er bei Dirisamer nachgefragt, was diese dazu meint?? Oder hatte etwa gar irgendein Unterläufel des Prokurators in dessen Namen dieses Schreiben abgefasst und dem Chef das Ganze zur Unterschrift untergejubelt? Das wollte G. wissen. Deshalb rief er in der Generalprokuratur an und fragte nach, wer denn wohl dieses Dokument verfasst habe. Die Dame am Telefon zeigte sich entrüstet: Natürlich habe der Herr Generalprokurator persönlich die Eingabe penibel geprüft und sei zu eben jenem Ergebnis gelangt. Daher schrieb G. im September 2011 nochmals an den Generalprokurator:

Sehr geehrter Herr Dr. Pürstl, in Ihrer Mitteilung zur gegenständlichen Sache erklären Sie dezidiert, Ihre Entscheidung “in Ansehung der Urteile” getroffen zu haben. Erlauben Sie mir die Frage, ob Sie in der Angelegenheit auch alle weiteren von mir vorgelegten Unterlagen, wie die übermittelten Lichtbilder und das Protokoll der HV vom 20.10.2010 ebenfalls in Augenschein genommen haben sowie die in meinem Schreiben aufgezeigten Widersprüche nach logischen Gesichtspunkten geprüft (oder nur Ihre Unterschrift unter die Erkenntnisse eines Mitarbeiters gesetzt) haben.
Für meine weitere Vorgangsweise in dieser Angelegenheit ist es mir wichtig, von Ihnen die PERSÖNLICHE BESTÄTIGUNG zu bekommen, dass Sie Ihre Entscheidung in Kenntnis aller von mir vorgelegten Unterlagen und in und in vollem Bewusstsein getroffen haben. Ich bitte Sie daher, mir schriftlich oder per e-mail diesbezüglich nochmals eine Mitteilung zukommen zu lassen.

Die Antwort auf das nunmehrige Schreiben fiel schon wesentlich unfreundlicher aus. Man teilte G. mit, dass ihm als Außenstehendem weiterreichende Auskünfte nicht zustünden. Man habe geprüft, das Gesetz sei nicht verletzt worden. Ihm als außenstehender Prozessbeobachter stehe es keineswegs zu, eine Wiederaufnahme anzuregen. Und im Übrigen sei jetzt alles gesagt und weitere Eingaben von G. würden nicht mehr beantwortet. Und basta! Interessant aber, dass dieses Schreiben nicht mehr vom Prokurator selbst unterzeichnet war, sondern jemand die Unterschrift von jemand anderem trug.

 

G. hatte an 3 Stellen “Feuer gelegt”, aber alle 3 Feuerchen waren erstickt worden. Dabei wollte er es dann auch belassen. 2 dramatische und ausführlich dokumentierte Fehlentscheidungen auf unterster Ebene bilden das Fundament dafür, dass bis in die höchsten Ebenen die Geschehnisse nicht mehr geprüft werden, sondern immer wieder Bezug auf die getroffenen Entscheidungen genommen wird und damit die Fehlleistungen immer fester einzementiert werden.

Und doch rumorte es jetzt im Bauch des Molochs Justiz: G. gingen in den darauffolgenden Monaten immer wieder Schreiben zu, die darauf hindeuteten, dass sich immerhin viele Personen mit den Geschehnissen befassten, möglicherweise sogar den Kopf schüttelten um sich dann doch in gewohnter Manier auf die Fehlentscheidungen aus Salzburg zu berufen. Das interessanteste Dokument in diesem Zusammenhang war die Mitteilung der Staatsanwältin Lachberger aus Linz, dass das Verfahren gegen 3 Beschuldigte zurückgelegt worden sei: Nämlich Stessl, den Richter Hattinger und den anwesenden Staatsanwalt. So erfuhr G. schließlich, dass die Beamtin vom BAK alle 3 Herren angezeigt hatte. Dass die Anzeigen gegen Richter und Staatsanwalt zurückzulegen waren, entsprach der Justizlogik (diese wurde an vorangegangener Stelle bereits ausführlich erörtert). Aber dass auch der dritte Beschuldigte nicht weiter verfolgt werden würde, konnte G. so nicht akzeptieren. Er hatte selbstverständlich keine Verständigung über die Ablehnung seines Fortsetzungsantrages erhalten und dachte daher, die Verfahrenseinstellung gegen Stessl in Salzburg sei noch nicht rechtskräftig. So legte er – zumindest was Stessl betraf – eine Beschwerde gegen die Linzer Verfahrenseinstellung ein. Wo aber war die Verständigung wohl abgeblieben? Ganz einfach: Man hatte diese wieder an Harringer geschickt und diesem dabei auch gleich aufgetragen, dass G. 90,- Euro zu zahlen habe. Diese Fehlleistung wurde aber letztlich anerkannt und Harringer erhielt folgende Mitteilung:

Immerhin hatte G. erreicht, dass das Verfahren gegen Stessl in Linz noch nicht als eingestellt galt, wiewohl er inzwischen Kenntnis von der rechtskräftigen Salzburger Einstellung hatte. Die Beschwerde an Linz war zeitgerecht eingelangt, was sollte man jetzt tun. Nach einigen Monaten wandte man sich erneut an G., er möge doch diesbezüglich einen Fortsetzungsantrag stellen (90,- Euro, eh schon wissen!!) G. hatte aber mittlerweile erfahren, dass er als “Nicht-Opfer” ja gar nicht zu einem solchen Antrag berechtigt ist. Daher begnügte er sich mit einer Richtigstellung und stellte klar, dass er mitnichten die Absicht habe, nochmals einen ohnehin aussichtslosen Fortsetzungsantrag zu stellen. Im Frühjahr 2012 meldete sich schließlich telefonisch eine verzweifelte Linzer Richterin, die den halbvergorenen Akt noch immer vor sich hatte und fragte vorsichtig nach, ob es denn jetzt eh kein Problem wäre, die Sache endgültig einzustellen. Damit war also der ertse Akt dieses Trauerspiels endgültig vorbai.

Der zweite Akt nahm seinen Auftakt im Sommer 2012. Herr Karl (natürlich nicht verwandt mit der Ministerin), aber ebenso “justizgeschädigt” wie G., ist ein sehr konzentrierter und aufmerksamer Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen und gesetzlicher Gegebenheiten und Veränderungen. Ihm war es nicht entgangen, dass der Richter Mag. Hattinger, den wir im ersten Akt bereits besser kennenlernen durften, mit 47 Jahren in den Ruhestand versetzt worden war. Doch zuvor war er über einen längeren Zeitraum hinweg in der Salzburger Landesnervenklinik zu Gast. Na bumm! Immer wieder hatte G. sowohl in seinem Gedächtnisprotokoll als auch in seinen Eingaben darauf hingewiesen, dass der Richter während der Verhandlung am 20.10.2010 vollkommen außerstande war, die Fakten zu erkennen und eine solide Beweiswürdigung durchzuführen. Die ganze Verhandlung mutete für G. eher wie ein Bauerntheater an, wo es galt, Grimmassen zu schneiden, durch die Stube zu poltern und jenem, der vorher schon als Übeltäter feststand immer dann das Wort abzuschneiden, wenn die Glaubwürdigkeit des braven Polizeibeamten angezweifelt wurde. Aber wie kommt es, dass Mag. Hattinger quasi direkt aus dem Gerichtssaal auf die Couch des Psychiaters katapultiert wurde. Das war so:

 

Kriminalisten hatten im Zuge einer Razzia in der Pädophilenszene feststellen müssen, dass der Herr Richter Kinderpornos auf seinem PC gehortet hatte. Nun ist es natürlich extrem peinlich, wenn honorige Herren, welche von unserem System dazu auserkoren wurden, über plakatklebende Pensionisten den Stab zu brechen, plötzlich Fotos von missbrauchten Buberln und Mäderln auf ihrem Computer haben. Wie auch immer der tatsächliche Gesundheitszustand eines solchen Mitarbeiters ist, so muss nun der Eindruck erweckt werden, der Betroffene habe seine Tat ja nicht in böser Absicht begangen, sondern sei eben durch eine Krankheit dazu getrieben worden. Flux war also Mag. Hattinger in die Psychiatrie geflüchtet (wo er nach G.´s Meinung schon im Oktober 2010 gut aufgehoben gewesen wäre). Dies ging so weit, dass Mag. Hattinger, über dessen Schuld in Wels verhandelt wurde, selbst erklärte, sich zu dieser Zeit in einem “psychischen Ausnahmezustand” befunden zu haben. Dies geht aus einem Bericht der Salzburger Nachrichten hervor.

Hatte es schon bisher viele Hinweise darauf gegeben, dass Mag. Hattinger zum Zeitpunkt der Verhandlung gegen Harringer etwas umnachtet war, so dürfte es mittlerweile in Wels auch ein Protokoll geben, in welchem der Richter selbst seinen Zustand in dieser Weise beschrieb. Und nun stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Salzburger Beweiswürdigung weiterhin als Maßstab für alle weiteren Entscheidungen heranzuziehen, wenn nicht nur die Fakten dagegen sprechen, sondern diese Feststellungen überdies Ergebnis einer psychischen Ausnahmesituation sind. Für G. war dies ein Wink des Schicksals: Harringer musste einen Antrag auf Wiederaufnahme seines Strafverfahrens stellen. Als Harringer seinen Anwalt damit konfrontierte, erklärte dieser ein solches Unterfangen für völlig aussichtslos: Die Justiz müsse dann einen Rattenschwanz an Entscheidungen revidieren und möglicherweise auch andere Entscheidungen dieses Richters einer nochmaligen Untersuchung zuführen, völlig unmöglich.

Nichts desto trotz brachte Harringer Mitte August 2012 folgenden Wiederaufnahmeantrag bei Gericht ein. Über diesen Antrag wurde bis heute noch nicht entschieden.

G. nahm die neue Entwicklung zum Anlass, abermals eine Info an an das Ministerium abzusenden. Natürlich wies er darauf hin, dass man seine e-mails von 2011 stets ignoriert hatte und äußerte die Befürchtung, dass man es auch diesmal so halten wolle. Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Erst als eine Kontaktperson vom ORF im Ministerium um Auskunft bat, ging es plötzlich blitzschnell: Innerhalb weniger Stunden ließ sich Mag. Eggert zu einer Stellungnahme herab:

 

„Das Bundesministerium für Justiz ist aufgrund des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips der Gewaltentrennung nicht befugt, auf Entscheidungen der in der Rechtsprechung unabhängigen Gerichte Einfluss zu nehmen, diese zu überprüfen oder auch nur zu kommentieren.

Ich ersuche Sie daher um Verständnis, dass mir eine inhaltliche Stellungnahme zu dem von Ihnen kritisierten Urteil des Landesgerichts Salzburg verwehrt ist. Die von Ihnen in der Folge erstatteten Anzeigen wurden eingehend geprüft. Das diesbezügliche Vorgehen der Staatsanwaltschaften ist aus Sicht der Fachaufsicht nicht zu beanstanden.“

 

Zum Teil war Eggert´s Rechtfertigung einzusehen. Aber dass er die Arbeit von Dirisamer trotz seines – komplett anderen Kenntnisstandes – nicht beanstanden wollte, konnte G. so nicht akzeptieren:

 

„Sehr geehrter Herr Mag. Eggert, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 6.9.

Dass das Ministerium die Entscheidung des unabhängigen Gerichts nicht revidieren bzw. nicht einmal kommentieren darf, ist sicher sinnvoll, wenn auch in diesem speziellen Fall bedauerlich.

Dass Sie hingegen die Arbeit der Staatsanwältin Dirisamer für nicht beanstandenswert halten, verwundert mich allerdings sehr. Frau Dirisamer stellte die strafrechtliche Verfolgung von Herrn Stessl mit der Begründung ein, Herr Harringer selbst habe die damalige Anzeige anonym eingebracht. Fakt ist aber, dass Sie selbst die Anzeige eingebracht haben, nachdem ich der Frau Minister die entsprechenden Informationen geschickt habe. Dass man die Fehleinschätzung der Staatsanwältin und die damit verbundene Nichtverfolgung eines Straftäters wider besseren Wissens hinnimmt (dies trotz Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwälten) lässt mich an der Arbeit des Ministeriums schwer zweifeln.“

 

 

Lange hörte man nichts von der Justiz. Alle schienen auf Tauchstation zu sein. Es wurde vermutet, dass man nun die Unterlagen des Richters Hattinger prüfen würde. Hatte dieser im Oktober 2010 bereits Kinderpornos auf seinem PC, war er also – seinen eigenen Angaben zufolge – damals schon in jener psychischen Ausnahmesituation, welche ihm eigentlich ein vernünftiges Arbeiten unmöglich machte? Ganz weit gefehlt: Die psychische Erkrankung des Richters tat rein gar nichts zur Sache, es interessiert bei der Justiz gar niemanden, ob ein Richter beim Fällen von Urteilen arbeitsfähig ist. Die Richterin kam bei der Beurteilung des Wiederaufnahmeantrages im Jänner 2013 zu genau 3 Erkenntnissen:

1. wurde vom (kranken) Erstrichter ja eine Beweiswürdigung durchgeführt, daher werden die nun abermals alle vorgelegten Beweise für die Falschaussage ignoriert.

2. Der Umstand, dass der Erstrichter zum Zeitpunkt der Verhandlung psychisch krank war, stellt keinen Straftatbestand dar, daher rechtfertigt diese (übrigens unbestrittene) Tatsache keine Wiederaufnahme des Strafverfahrens.

3.  Dass ein Richter aufgrund einer psychischen Erkrankung fehlerhaft arbeitet, ist von der StPo nicht vorgesehen, daher wurde eine Wiederaufnahme abgelehnt.

 

Die Politik und die Öffentlichkeit sollten gemeinsam entscheiden, ob es im Interesse unseres Rechtsstaates ist, wenn psychisch kranke Richter unerklärliche Urteile fällen. Die Justiz scheint intern mit der Korrektur solcher Entscheidungen überfordert zu sein.